Große Erzähler

Hans Christian Andersen, Wilhelm Hauff, Michael Ende, Max Kruse – allesamt Erzähler von Rang, Erfinder großartiger Geschichten voll Spannung, Menschlichkeit und Humor. Kein Wunder also, dass die Originalschauspiele dieser Autoren wie auch Dramatisierungen ihrer Werke auf der Bühne so erfolgreich sind.

Die Grundlage einer guten Bühnenaufführung ist eine gute Geschichte, und die Erzählungen des dänischen Dichters Hans Christian Andersen sind heute aus dem globalen Märchenschatz nicht mehr wegzudenken. Besonderes dramatisches Potential hat unter anderem das Märchen „Des Kaisers neue Kleider“, in dem Dummheit und Heuchelei durch einen raffinierten Trick entlarvt werden. Georg A. Weths Bühnenfassung von Des Kaisers neue Kleider, dieser Parabel auf die menschliche Leichtgläubigkeit, besticht durch Witz und Lebendigkeit, beispielsweise den eitlen Kaiser, der die Angewohnheit hat, seine eigenen Handlungen comicartig zu kommentieren, oder das Komödiantenduo Scapin und Scapine, welche das Handlungskarussell mit Schwung in Gang setzen. In dieser Spielzeit trafen die Niederdeutsche Bühne Brake, die Studiobühne Bayreuth und der Verein Hoftheater Bern mit diesem quietschvergnügten Familienspaß zielsicher den Geschmack des Publikums.
In Des Kaisers neueste Kleider fand Ingo Sax, wie so oft, zu seiner ganz eigenen Lesart der Geschehnisse: Hier ist es der Kaiser selbst, der seinen Hofschranzen durch den Kleidertrick die heuchlerische Maske vom Gesicht reißt. Für diese spitzzüngige Fassung gab es im Frühjahr 2016 bei der Theater-Familie Krause „Lacher und Beifall am laufenden Band“ (Kelkheimer Zeitung).
Ein anderer Evergreen aus Andersens reichem Märchenschaffen ist Die kleine Meerjungfrau über eine Nixe, die sich in einen Prinzen verliebt und aus diesem Grund beschließt, ein Mensch zu werden. Christa Margret Riekens Bühnenbearbeitung des zauberhaften Unterwassermärchens erwies sich zuletzt im Drei-Flüsse-Theater Hann. Minden als „ein Spaß für die ganze Familie“ (HNA).

Auch der Romantiker Wilhelm Hauff ist als Autor von Klassikern bis heute weit über die Grenzen seiner baden-württembergischen Heimat hinaus bekannt. Seinen Zwerg Nase, die Geschichte des Jungen Jakob, der in einen hässlichen Zwerg verwandelt wird, als Meisterkoch Berühmtheit erlangt und den Zauber schließlich durch ein besonderes Kraut brechen kann, dramatisierte Marc Gruppe als farbenprächtigen Bilderbogen, der in diesem Winter beispielsweise an der Calluna Bühne Schneverdingen „vom begeisterten Publikum mit viel Beifall belohnt“ (Böhme Zeitung) wurde.
Und auch das orientalische Flair von Frank Pinkus' Kalif Storch, der Geschichte des selbstsüchtigen Kalifen, der durch die Verwandlung in einen Storch geläutert wird, bezauberte zuletzt in der liebevoll ausgestatteten und urkomischen Inszenierung des Kleinen Hoftheaters Hamburg das große und kleine Publikum. Die umwerfende Musik dazu stammt aus der Feder von Ines Lange und Jan-Henning Preuße.

Zu den großen Erzählern des 20. Jahrhunderts gehört ohne Zweifel Michael Ende, Autor der vielfach preisgekrönten Abenteuer von Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer. Darin reist der kleine Jim, der in einem Postpaket auf der kleinen Insel Lummerland angekommen war, mit seinem Freund Lukas in die Ferne, um Li Si, die Tochter des chinesischen Kaisers, aus den Klauen des Drachen Frau Mahlzahn zu befreien. In Jim Knopf und die Wilde 13 löst Jim das Rätsel seiner Herkunft. Beide Romane bearbeitete Michael Ende selbst für die Bühne; die dramatisierten Fassungen gehören im gesamten deutschsprachigen Raum fest zum Repertoire: Aufführungen von „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ wurden in dieser Spielzeit u.a. am Hessischen Landestheater Marburg, am Landestheater Salzburg, im Figurentheater St. Gallen, auf der Kolpingbühne Starnberg und bei den Burgfestspielen Bad Vilbel „mit großem Applaus und strahlenden Kinderaugen belohnt“ (Wetterauer Zeitung), „Jim Knopf und die Wilde 13“ bot beim Kulturverein Chärnehus Einsiedeln „einen Abend zum Genießen“ (Einsiedler Anzeiger).
Und auch als Musical sorgen Jim Knopf und seine Freunde immer wieder für beste Stimmung in den Theatern: In der kindgerechten Bühnenbearbeitung aus der Feder von Christian Berg
mit der ohrwurmverdächtigen Musik von Konstantin Wecker gingen Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer u.a. auf der Burghofbühne Dinslaken, im Lafibo Bomlitz, auf der Waldbühne Kloster Oesede und im CAPITOL Mannheim auf die Reise.
Ernster und voll opulenter Phantasie präsentiert sich Michael Ende in seinem Theaterstück Die Spielverderber oder das Ende der Narren, in dem zehn angebliche Millionärserben aus Neid und Gier nicht nur ihr Erbe, sondern schließlich auch ihr Leben verwirken. Die „Mixtur aus schwarzhumorigem Grusel und absurdem Theater“ (Merkur.de) begeisterte das Publikum beispielsweise im November 2016 im Kellertheater Weilheim.

Wer kennt nicht Max Kruses entzückenden Roman Urmel aus dem Eis? Die Geschichte des liebenswerten Dinowesen und seinen Freunden, den sprechenden Tieren auf der Südseeinsel Titiwu, und von ihrem gemeinsamen Kampf gegen den schießwütigen König vom Pumpolonien, der sich den Kopf des Urmel unbedingt als Trophäe an die Palastwand nageln will, erzählt Frank Pinkus' liebevolle Bühnenadaption mit viel eingängiger Musik aus der Feder von Ines Lange und Jan-Henning Preuße. Unter anderem war diese Fassung kürzlich zu sehen in der Theaterwerkstatt Achkarren, bei der Kolpingsfamilie Olching, der Kleinkunstbühne K3 aus Winterlingen und beim KC Bingenheim. Eine eigene Bühnenfassung des Kinderbuchklassikers erstellte sich das Landestheater Niederbayern. Fazit des Landshuter Wochenblatts: „Uneingeschränkt zu empfehlen“.
Ein weiterer bekannter Klassiker aus Max Kruses Feder ist Gut gebrüllt, Löwe, die bekannteste Geschichte seiner beliebten Löwen-Reihe, in der Löwe, Sultan und Kamel Prinz Panja in Nekaragien gegen den bösen Rao und seine Blechbüchsenarmee zur Seite stehen. Auch hier haben Frank Pinkus, Ines Lange und Jan-Henning Preuße eine „peppige Musicalfassung“ (Kölner Stadt-Anzeiger) entwickelt, die jüngst z.B. beim „theater bühnenreif“ in Bedburg überzeugte und „für viele Lacher“ (Bretten) beim gugg-e-mol Kellertheater sorgte.

Schließen wir mit der bekannten Kinderbuch-Autorin Tilde Michels. Eine ihrer erfolgreichsten Geschichten ist ohne Zweifel Kleiner König Kalle Wirsch, der mit Hilfe der Kinder Max und Jenny einige schwierige Hindernisse übersteht, um am Ende in einem Zweikampf gegen seinen üblen Widersacher Zoppo Trump seine Regentschaft sichern zu können. Ein wunderbares Musical, aufregend und witzig zugleich, schuf daraus das bewährte Trio Frank Pinkus, Ines Lange und Jan-Henning Preuße. „Bühne frei für Kalle Wirsch!“ (Bündner Tagblatt) hieß es zuletzt beim Weihnachtsstück der Freien Bühne Chur.

– 09.01.2017