NEU: Was geschah wirklich mit Baby Jane?

... das ist die entscheidende Frage, die erst am Schluss des nervenzerfetzenden gleichnamigen Psychodramas beantwortet wird. Der Weg dorthin gestaltet sich als erschütternde Reise in die Abgründe der menschlichen Seele.

Bekanntheit erlangte der Stoff vor allem durch seine Verfilmung: In Was geschah wirklich mit Baby Jane? nach dem gleichnamigen Roman von Henry Farrell liefern sich Joan Crawford und Bette Davis als zutiefst verfeindetes Schwesternpaar einen finsteren Psychokrieg, der stilbildend für eine ganze Filmgattung werden sollte. Frank Thannhäuser, erfahrener Bühnenleiter, Autor und Übersetzer von Theaterstücken, hat die Bühnenfassung jetzt treffsicher ins Deutsche übertragen. Das Ergebnis ist spannend, spannend und nochmal spannend.

Die beiden Schwestern Jane und Blanche Hudson leben gemeinsam in einem düsteren Herrenhaus und erinnern sich an ihren vergangenen Ruhm. Blanche war einst ein gefeierter Filmstar, deren Karriere durch einen mysteriösen Autounfall beendet wurde. Jane wiederum trat als Kind unter dem Namen Baby Jane auf und glänzte als Vaudeville-Berühmtheit. Sie hat es nie verwunden, dass ihre Schwester später erfolgreicher und bekannter wurde als sie selbst – Neid und Eifersucht vergiften die Atmosphäre im Haus. Als ein Filmfestival erneut Blanches alte Filme zeigt und sie wieder Fanpost und sogar einen Brief ihres früheren Freundes erhält, spitzt sich die Situation zu: Jane schikaniert ihre querschnittsgelähmte Schwester, isoliert sie und lässt sie hungern. Gleichzeitig flüchtet sie sich zunehmend in eine Phantasiewelt, in der sie ein großes Comeback plant. Obwohl Außenstehende wie die Nachbarin oder die entlassene Haushälterin Edna versuchen zu intervenieren, spitzt sich die Lage zu – bis am Ende das ganze Gebäude lang gehegter Illusionen in einem makabren Finale von geradezu tragischem Ausmaß zusammenbricht.

Auf mehreren Zeit- und Bewusstseinsebenen macht dieses düstere Familienpsychogramm Hintergründe und Dynamik des unbarmherzigen Geschwisterkriegs in beklemmender Weise nachvollziehbar. Ein Stück von dramatischer Wucht und zwingender emotionaler Logik, dem man sich schon bei der Lektüre kaum entziehen kann.

– 15.09.2015