Michael Ende: Gaukler, Phantast, Utopist

Zeit seines Lebens suchte er nach dem „Zauberwort, das der Welt ihre Bedeutung zurückgeben wird“: Der in Garmisch geborene Schriftsteller Michael Ende entführte seine Leser, einem Gaukler gleich, in phantastische, ebenso poetische wie beängstigende und traumschöne Welten – Gegenentwürfe zu einer von ihm als rein materialistisch empfundenen Lebensrealität. Am 12. November wäre Michael Ende 85 Jahre alt geworden.

Der Schöpfer unsterblicher Figuren wie Momo, Jim Knopf und Bastian Balthasar Bux kam 1929 zur Welt und wuchs in einem künstlerisch-literarischen Umfeld auf, in dem philosophische und ästhetische Diskussionen mehr galten als materieller Wohlstand.
Seine Autorenlaufbahn begann Michael Ende als Filmkritiker und Kabarettist. Sein erstes Buch und sofortiger Welterfolg war 1960 Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer, 1962 gefolgt von der ebenso erfolgreichen Fortsetzung Jim Knopf und die Wilde 13. Mit seinen 1973 und 1979 erschienenen Romanen „Momo“ und „Die unendliche Geschichte“ erlebte Michael Ende seine größten Erfolge als Romanautor. Beide Werke erreichten auch als Filme ein Millionenpublikum.
Als Bühnenautor erregte Ende ebenfalls große Aufmerksamkeit: Bereits 1967 sorgte die Aufführung seiner „commedia infernale“ Die Spielverderber oder Das Erbe der Narren für einen handfesten Theaterskandal. Das tragikomische Stück über zehn Egoisten, die verständnislos dem Erbe eines anonymen Humanisten gegenüberstehen und deren Gier ihnen schließlich zum Verhängnis wird, warnt in ebenso eindrücklichen wie poetischen Bildern vor einem rein an materiellen Werten orientierten Weltverständnis.
Welterfolge nicht nur als Buch und Film, sondern auch auf der Bühne feiern bis heute sowohl „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ als auch „Jim Knopf und die Wilde 13“: Michael Ende selbst adaptierte seine Bücher wirkungsvoll für das Theater; daneben gibt es eine witzig-freche Musical-Fassung des Kinderbuch-Klassikers von Christian Berg mit mitreißender Musik aus der Feder von Konstantin Wecker, welche das farbenfrohe Geschehen mit Klängen von Rock bis Rap, von Jazz bis Salonmusik facettenreich in Töne fasst.
Den Wert zweckfreien künstlerischen Schaffens und von Liebe und Phantasie beschwört das Das Gauklermärchen aus dem Jahr 1982: Eine Gruppe von Gauklern, die am Rand der Gesellschaft um ihr Überleben kämpft, muss sich entscheiden, ob sie ein lukratives Werbegeschäft mit einer Chemiefirma abschließen will. Der Preis dafür wäre, das Mädchen Eli aus der Truppe auszuschließen, ein naives, liebenswertes Kind, das durch die von eben jener Firma hergestellten Chemikalien geschädigt wurde. Eine parabelartige Erzählung des Clowns Jojo bildet den Kern des Stücks, das sich als utopische Gegenwelt zu Gewinndenken und Eigennutz einer sinnentleerten Welt versteht.
Trotz ihrer idealistischen Suche nach einer besseren Welt sind die Theaterstücke Michael Endes gerade durch ihre phantastischen Bildwelten, ihre filigrane Poesie und die Eigenartigkeit ihrer Hauptfiguren frei von jeglichem Moralisieren:
„Ich gehe grundsätzlich davon aus, dass mein Leser mindestens genauso gescheit und aufgeklärt ist wie ich. Was will ich ihn lehren? Ich will meinen Leser zunächst einmal unterhalten. Ich will ihn zu einer Art gemeinsamem Spiel einladen, und wenn er sich auf das Spiel einlässt, wird er dabei einiges erleben, was ihn vielleicht innerlich reicher macht. Wenn es gut ist, was ich geschrieben habe, wird es ihn vielleicht sogar glücklich machen. Meine Leser sollen sich nicht nachträglich schämen müssen, gelacht und geweint zu haben bei dem Spiel, das ich ihnen vorgeschlagen habe, vielleicht hat es sie sogar durchgeschüttelt, aber sie kommen – und wenn es nur ein paar Stunden anhält – mit frischgebügelter Seele heraus.“

– 04.11.2014