Luv und Lee

Seeluft schnuppern, sich den Wind um die Nase wehen lassen, auf große Fahrt gehen – all das kann man auch im Theater. Maßgeschneidert hierfür sind unsere zahlreichen Stücke auf See, an Wasser, Hafen und Werft. Märchenhaft und musikalisch, nachdenklich und unterhaltsam bringen sie einen Hauch von „Waterkant“ auf die Bühne.

Dreemol dree mokt söben – das beweist die junge Schauspielerin Britta Runge Werftbesitzer Lars Sörensen in Ingo Sax' temporeicher gleichnamiger Komödie. Die Traditionswerft „Sörensen und Mähl“ in Barsenhuk ist in Schwierigkeiten: Keine Aufträge, kein Geld und einer der beiden Partner, der einfallsreiche Uwe Mähl, ist soeben verstorben. Als Stadtdirektorin Vera Sörensen, die Ex-Frau von Werftbesitzer Lars, die unansehnliche Anlage ganz aus dem aufstrebenden Kurort verdrängen will, scheinen Lars und seine Mitstreiter Anni und Rudolf vor dem Aus zu stehen. Doch plötzlich steht überraschend eben jene Britta vor der Tür, uneheliche Tochter und Erbin von Uwe Mähl. Mit ihrer Hilfe und einigen gewagten Manövern wendet sich das Blatt und der geradlinige Ingenieur Lars lernt, dass dreimal drei manchmal tatsächlich sieben ergeben kann ...

Ebenfalls aus der Feder von Ingo Sax stammt eine erfrischende Neubearbeitung des bekannten Märchens vom Fischer und seiner Frau: In Eenmol na baben machte der Hamburger Erfolgsautor aus der gierigen Fischersfrau Ilsebill kurzerhand eine kluge, energische Frau, die sich danach sehnt, der Armut zu entkommen. Der zaubernde Butt ist in Sax' temporeicher Bearbeitung ein Kredithai, der das geliehene Geld mit Wucherzins zurückfordert. Zu ihrem Glück jedoch ist Ilsebill weder auf den Kopf noch auf den Mund gefallen – und so muss sie am Ende nicht zurück in den „Pissputt“ wie weiland bei den Brüdern Grimm, sondern triumphiert mit Verve über den unlauteren Püttjer. Mit schwungvoller Musik, hanseatischem Flair und ebenso kauzigen wie liebenswerten Charakteren ist Eenmol na baben aus dem niederdeutschen Repertoire nicht mehr wegzudenken, funktioniert als Glück auf Pump aber auch hervorragend auf Hochdeutsch.

„Die Ehe ist wie ein Schiff auf hoher See.“ Das wissen Dagmar und Jürgen Boettge nur zu genau, sind sie doch seit stolzen 25 Jahren verheiratet – und zudem ausgesprochen kreuzfahrterprobt. Flitterwochen, Seitensprung, Urlaub mit Star, Urlaub mit Kind: die entscheidenden Momente ihres gemeinsamen Lebens spielten sich auf Kreuzfahrtschiffen ab. Hochamüsant und kurzweilig erzählt Kerry Renards maritime Komödie Bord-Geflüster (niederdeutsch: Kabbelig op See) von den Höhen und Tiefen des Ehelebens, den Klippen, die es zu umschiffen gilt und den nicht immer ganz korrekten Manövern, die beide Eheleute ausführen, um auch in stürmischen Gewässern nicht Schiffbruch zu erleiden.

Ein Klassiker des niederdeutschen Theaters ist Alma Rogges heiteres Volksstück Wind in de Seils mit seinen kauzigen Charakteren und der temporeichen Handlung, die mehr als einmal eine unerwartete Wendung nimmt: In Lockfleth ist Flaute. Die Werft läuft schlecht, das Leben stagniert, Resignation macht sich breit bei Wirt Tönjes, Tochter Rieke und den Nachbarn Meta, Maddy und Beernd. Da kommt der reiche Otto Voss in den Ort, und bald machen sich allerhand Gerüchte breit: Will er die Werft aufkaufen? Die hübsche Rieke heiraten? Doch er ist nicht der einzige mit Absichten auf Rieke, und so bekommt die Gemeinde bis zum glücklichen Ende ordentlich Wind in die Segel.

Ein deftiges Seemannsgarn nach dem „Dichter der Nordsee“ Gorch Fock persönlich ist Hans Balzers Hein Godenwind. Mit zwei Gefährten sowie seiner Zimmerwirtin Anna Susanna bricht dieser alte Seebär zu einer letzten großen Fahrt auf, um einen handfesten Betrug aufzudecken. Das Stück besticht durch sein echt hanseatisches Flair, seine kantigen und einprägsamen Charaktere sowie durch kraftvolle Dialoge und den typisch norddeutschen trockenen Humor.

– 12.08.2016