Foto 51 – Der West-End-Erfolg mit Nicole Kidman

Es war eine der bedeutendsten wissenschaftlichen Entdeckungen des 20. Jahrhunderts: Die Entschlüsselung der DNA, mit der das „Geheimnis des Lebens“ gelüftet wurde. Das Schauspiel über das Wettrennen zum damit verbundenen Nobelpreis wurde mit Nicole Kidman in der Rolle der Wissenschaftlerin Rosalind Franklin in London in diesem Herbst frenetisch gefeiert.

In ihrem preisgekrönten Theaterstück Foto 51 erzählt die junge amerikanische Autorin Anna Ziegler Franklins Geschichte – als empathische Komödie und hochspannende Forschungsstory, getragen von der hohen Leidenschaft und dem brennenden Eifer der Figuren. Zugleich wirft die Autorin ein Licht auf den Kampf einer Wissenschaftlerin gegen den Sexismus der Wissenschaftswelt – und auf die Momente, in denen Rosalind Franklins Geschichte eine andere Wendung hätte nehmen können. Faszinierend, packend bis zum Ende, melancholisch, wenn es sichtbare Auswege gäbe oder auch die Möglichkeit privaten Glücks.

„Herrlich“, schreibt der „Independent“, doch nicht erst die Londoner Journalisten gerieten angesichts von Anna Zieglers fulminantem Werk ins Schwärmen. Schon bei den Produktionen, welche das Stück zwischen Seattle und New York im Heimatland der Autorin erlebte, war das Presseecho überwältigend: „Ein klug konstruiertes historisches Stück ... genau der Stoff, aus dem Dramen gemacht sind“, urteilte die „Washington Post“ – und selbst Wissenschaftsmagazine wie der „New Scientist“ staunten: „Wer hätte gedacht, dass aus Wissenschaft so fantastisches Theater werden kann?“

Sie rechnet und analysiert, ändert etwas und beginnt wieder von vorn – und weigert sich standhaft, auch nur die kleinste Hypothese aufzustellen, bevor sie sich ihrer Fakten nicht absolut sicher ist: Ebenso leidenschaftlich wie detailversessen arbeitet Rosalind Franklin daran, die menschliche DNA zu entschlüsseln. Begreiflich ist diese fast schon verbissene Haltung, muss Rosalind sich doch in der frauenfeindlichen Welt naturwissenschaftlicher Forschung behaupten – einer Welt, in der ihr Türen aufgrund ihres Geschlechts verschlossen bleiben und nicht einer der Kollegen die brillante Forscherin mit ihrem Doktortitel anspricht. Und doch wird eben diese Abschottung ihr am Ende zum Verhängnis, wenn James Watson, Maurice Wilkins und Francis Crick dank Franklins Forschungsergebnissen mit dem Nobelpreis geehrt werden, während sie selbst in Vergessenheit gerät.

Anna Ziegler setzt jedes Wort mit Bedacht, schafft Dialoge, in denen die kleinen Beleidigungen und Kränkungen wie Pfeile treffen, die Anspannung zu spüren ist und gleichzeitig der leidenschaftliche Forscherdrang, der alle Figuren vorantreibt. Sie strukturiert ihr Stück selbst wie ein Forschungsprojekt, rekonstruiert das Wettrennen um die Forschung an der DNA, baut reflektierende Momente und Rückblenden geschickt ein. Gleichzeitig kommt sie ihren Figuren, insbesondere dem Charakter ihrer Protagonistin, sehr nahe und reichert die historischen Ereignisse mit pointierten Komödienelementen an. Das Ergebnis ist ein ebenso fesselndes wie anrührendes und unterhaltsames, wunderbares Stück.

Die deutsche Übersetzung stammt aus der Feder des bewährten Teams Maria Harpner und Anatol Preissler, die ihre sprachliche Könnerschaft bereits in der deutschen Übertragung von Andrew Bovells Epos Das Ende des Regens, Zoe Kazans Hoch soll er leben! und weiteren Werken eindrucksvoll unter Beweis gestellt haben.

– 18.11.2015