Dürfen wir vorstellen: Jan Radermacher

Puppenbauer, Illustrator, Schauspieler, Regisseur – der Mann ist ein echtes Multitalent. Dass er daneben auch als Autor und Komponist höchst erfolgreich ist, sollte angesichts dieser vielfältigen Begabungen kaum noch verwundern.

Böses Rumpelstilzchen? Absolut nicht! Furchtloser Hannes? Wie man's nimmt ... Wer glaubt, bereits alles über die Märchen der Brüder Grimm zu wissen, der kennt Jan Radermacher noch nicht. Der junge Hamburger stellt die scheinbar altbekannten Geschichten in seinen Bühnenbearbeitungen gründlich auf den Kopf – und beschert dem Publikum neben einem höchst vergnüglichen Theatererlebnis auch noch manch überraschende Erkenntnis.

Rumpelstilzchen, 2015 uraufgeführt bei den Brüder Grimm Festspielen in Hanau, erzählt die Geschichte des zauberkundigen Kobolds einmal ganz anders. Denn in Radermachers Bearbeitung will der grummlige Höhlenbewohner eigentlich nur seine Ruhe haben und gemütlich ein Stück Madenkuchen essen. Doch erst stört ihn eine Erzählerstimme, dann seine kuchenklauenden Koboldfreunde – und schließlich taucht gar noch der Koboldkönig selbst auf mit einem alles andere als angenehmen Auftrag: Rumpelstilzchen soll ihm ein Menschenkind von königlichem Blut bringen. Leichter gesagt als getan, denn König Richard hat kein Kind. Also heißt es: Braut aussuchen, Hochzeit feiern, knutschen, Klapperstorch. Doch die Intrigen von Erzherzogin Irmengard, die selbst regieren möchte, und ihrem Handlanger, dem geldgierigen Grafen von Knitter, bringen Rumpelstilzchens Pläne ebenso ins Wanken wie seine außerplanmäßige Sympathie für die junge Königin Sophie und ihren verträumten Bruder Jojo... Mit witzigen Dialogen, jeder Menge Situationskomik und einer Musik, die auch nach Vorstellungsende weiter fröhlich durch die Gehörgänge geistert, rockt und koboldtanzt, ist dieses Stück „ein Riesenvergnügen für Kinder und auch für Erwachsene äußerst amüsant“ (Offenbach Post, 26.5.2015).

Der Wagnersohn Hannes in Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen wiederum sieht sich vor eine ganz andere Herausforderung gestellt: Er kennt keine Angst. Und nachdem der Küster beim vergeblichen Versuch, ihm das Fürchten beizubringen, vom Kirchturm zu Tode gestürzt ist, muss Hannes seine Heimat verlassen. Bald begegnet er der als Junge verkleideten Elisa, die nicht weiß, dass sie in Wirklichkeit eine Prinzessin ist, sowie dem eigentlich toten König Ambrosius, dessen Seele gefangen ist und der deswegen nicht sterben kann. Gemeinsam begeben die drei sich ins Schwarze Schloss, wo sie sich mit offenen Särgen, einem frei laufenden Unterleib sowie dessen oberer Hälfte und einer Skelettarmee konfrontiert sehen. Doch das Fürchten lernt Hannes am Ende aus einem ganz anderen Grund ... Für diese psychologisch gut durchdachte Bearbeitung des Grimm'schen Märchens erhielt Jan Radermacher 2014 den ersten Preis des Autorenwettbewerbs der Brüder Grimm Festspiele Hanau. In der „erfrischend anderen“ (FAZ 10.6.2014) Fassung der Geschichte verbinden sich Slapstick-Elemente mit pointensicherer Gruselkomik zu einem Theatererlebnis, das dem Publikum wohliges Schaudern ebenso verspricht wie schallendes Lachen.

– 15.12.2015